WSW: „Wir machen aus Müll Mobilität.“

Die Wuppertaler Stadtwerke WSW setzen im öffentlichen Nahverkehr künftig auf Wasserstoff-Busse. Den Treibstoff dafür werden sie mittels Wärme aus dem eigenen Müllheizkraftwerk herstellen. Zehn emissionsarme Fahrzeuge wurden bereits beim belgischen Hersteller van Hool bestellt, der erste Bus im November ausgeliefert. Die Testphase hat begonnen. Über erste Erfahrungen berichtet Thomas Schmidt, WSW-Betriebsrat und kommissarischer Leiter der Werkstatt, in unserem Interview.

Herr Schmidt, warum haben sich die WSW für die Wasserstoff-Technologie entschieden?
Wir sind ein klassisches Stadtwerk, wie man es früher kannte, mit Energieversorgung und Nahverkehr unter einem Dach. Im Rahmen eines konzernübergreifenden Projekts wollten wir neue Wege finden, Energie zu speichern. Da lag der Schritt, dies mit Mobilität zu verknüpfen, sehr nah.

Für die Wasserstoff-Technologie haben wir uns entschieden, weil der Einsatz von Bussen mit Elektroantrieb hier im Bergischen Land nicht sinnvoll ist. Das haben wir getestet. Schon nach ein paar Hügeln waren die Akkus fast leer.

Die WSW haben zehn Fahrzeuge geordert, das erste ist jetzt da. Wo erhält es seinen Treibstoff?
Noch müssen wir 60 Kilometer bis zu einer Wasserstoff-Tankstelle in Düsseldorf fahren, denn unsere eigene ist noch im Bau. Sie befindet sich etwa 10 Kilometer vom Betriebshof entfernt auf dem Gelände des Müllheizkraftwerks unserer Konzerntochter AWG. Dort wird zurzeit eine Produktionsanlage errichtet, in der mittels Elektrolyse aus Wasser Wasserstoff gewonnen wird. Der Strom dafür kommt aus der Müllverbrennung und ist als grüner Strom zertifiziert. Wir machen quasi aus Müll Mobilität, wie es in unserem Unternehmen heißt.

Thomas Schmidt auf der Tagung „E-Mobilität im ÖPNV“ des Koblenzer Forums

Die Infrastruktur steht also noch nicht?
Uns war von Anfang an klar, dass wir Fahrzeuge und Infrastruktur nicht gleichzeitig haben werden. Das liegt an den zahlreichen Genehmigungsverfahren: Man bekommt Busse einfach schneller als die Infrastruktur. Aber wir sind froh, dass der erste Bus jetzt da ist und wir endlich anfangen können, am Objekt zu schulen. Wir hatten im Werkstattbereich zwar schon eine gemeinsame Schulung mit einem Verkehrsunternehmen, das auch Wasserstoff-Busse anschafft. Jetzt aber sind Mitarbeiter des Herstellers bei uns, die den Kollegen von der Werkstatt in kleinen Gruppen das Fahrzeug näherbringen. Zudem bilden wir Personal für die Fahrschule aus, um dann die Fahrer qualifizieren zu können.

Als Betriebsrat begleiten Sie den Umstellungsprozess, als kommissarischer Leiter der Werkstatt bekommen Sie die Auswirkungen sehr deutlich mit. Wie nehmen Sie die Reaktion der Belegschaft auf die Neuerung wahr?
Die meisten haben richtig Spaß an der neuen Technologie. Aber es gibt auch einige Kollegen, die eher zurückhaltend sind. Es ist ja auch Neuland und man muss sehr speziell wissen, was zu tun ist.

Worin sehen Sie als Betriebsrat die größten Herausforderungen?
Die größte Herausforderung ist, die Leute für die Qualifizierungen freizustellen. Denn das Tagesgeschäft läuft ja weiter. Sich im laufenden Betrieb der neuen Technik zu stellen, die Schulungen zu planen und zeitlich durchführbar zu gestalten, das ist keine leichte Aufgabe.

Welche Veränderungen in der Umlauf- Dienstplanung erwarten Sie?
Wir werden hier voraussichtlich keine großen Veränderungen bekommen. Denn das Fahrzeug – so verspricht es zumindest der Hersteller – wird das abdecken, was wir auch mit einem konventionellen Dieselbus können, das heißt 300 Kilometer Linienlänge fahren. So haben wir das Produkt auch ausgeschrieben. Wir können den Wasserstoff-Bus also in die herkömmliche Diesellinie integrieren. Sein Einsatz wird somit keine Auswirkungen auf den Dienstplanwirkungsgrad haben. Ob es dann tatsächlich so sein wird, wissen wir dann nächstes Jahr um diese Zeit.

Die Testphase wird also zeigen, was noch zu tun ist?
Ja, das wird sich entwickeln, denn es ist – wie gesagt – Neuland. Und das gilt für alle Bereiche – ob von der Arbeitskleidung über den Brandschutz bis hin zur Arbeitsstättenverordnung. Klar ist, dass wir im Werkstattbereich den Boden dort, wo die Busse repariert werden, anders leitfähig machen müssen. Das heißt, der alte wird irgendwann rausgestemmt. Das ist schon ein größerer Aufwand, der nicht ohne Einschränkungen für den Betrieb ablaufen wird.

Man muss einfach dranbleiben und Stück für Stück tun, was ansteht. Vieles wird sich erst in der Hochlaufkurve ergeben, dann, wenn alle der zehn bestellten Fahrzeuge da sind. Zurzeit sind wir in der Vorbereitung, weitere zehn zu bestellen – dann aber Gelenkbusse.

Ich höre daraus, dass Sie als Betriebsrat in alle Entscheidungen eingebunden sind?
Da gibt es nichts zu nörgeln.

Was würden Sie Kollegen aus Ihrer Erfahrung heraus raten? Worauf sollten sie achten?
Es gibt ein bundesweites Netzwerk von Werkstatt-Betriebsräten, in dem wir uns regelmäßig austauschen. Das ist sehr hilfreich. Wichtig ist, dass jedes Unternehmen die Umstellung auf emissionsarme Fahrzeuge nach den eigenen Bedürfnissen vor Ort gestaltet. Auf der Fachtagung E-Mobilität des Koblenzer Forums haben wir uns ja das Beispiel Köln angeguckt. Die KVB hat für die E-Busse eine eigene Linie mit Streckenladung konzipiert. Andere setzen voll auf Depotladung. Dafür braucht man aber mehr Platz auf dem Betriebsgelände. Als Faustregel gilt: Man braucht für einen Elektrobus – egal, ob mit Brennstoffzelle oder rein Batterie-elektrisch betrieben – ein Drittel mehr Platz gegenüber einem Dieselbus. Den haben wir hier in Wuppertal schlicht und ergreifend nicht. Das war ein weiterer Grund für uns, auf Wasserstoff-Technik zu setzen.  Natürlich spielen auch politische Vorgaben vor Ort und die Finanzen eine Rolle. Für die Umstellung auf emissionsarme Fahrzeuge gibt es zahlreiche Fördertöpfe in EU und Deutschland. Auch hier hilft der Austausch mit Kollegen, um sich in dem Dickicht zurechtzufinden.

Das Interview führte Anja Martin 

Weitere Informationen:
Mit dem Wasserstoff-Projekt haben die WSW den diesjährigen Stadtwerke Award gewonnen. Der Ehrenpreis zeichnet jährlich Vorzeigeprojekte aus der Stadtwerke-Landschaft aus wird im Rahmen des VKU-Stadtwerkekongresses von der VKU Akademie, der ZfK und der Trianel verliehen. In der Begründung heißt es: „Die Wuppertaler zeigen wie ein idealer Kreislauf von der Abfallentsorgung über die Energiegewinnung bis hin zum öffentlichen Nahverkehr hergestellt werden kann und Sektorkopplung aktiv gelebt wird.“

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