Falsche Prioritäten in der Verkehrspolitik

Ob Magnetschwebebahn in Berlin oder Wissings Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV: Bei allem stellt sich die Frage nach Ziel und Aufgabe des ÖPNV. Fließen öffentliche Gelder in eine vernünftige und auskömmlich finanzierte Daseinsvorsorge oder in spektakuläre Neubauprojekte und digitale Wunschträume?

Magnetschwebebahn in Berlin
Nein, es war nicht der 1. April, sondern Mitte November, als sich die schwarz-rote Koalition in Berlin darauf verständigte, eine fünf bis sieben Kilometer lange Teststrecke für eine Magnetschwebebahn mitten durch die Innenstadt zu bauen. „In den zwanziger Jahren mag das noch eine Utopie gewesen sein“, sagte Verkehrsexperte Andreas Knie der taz. „In der dicht bebauten Stadt von heute ist das völlig sinnlos.“

80 Millionen Euro aus dem Berliner Klima-Sondervermögen sollen dafür lockergemacht werden. „Geld, das für den Ausbau bestehender Netze, neue Züge für die U- und Straßenbahn-Flotte oder auch die Anwerbung dringend benötigten Personals besser eingesetzt wäre“, schreibt Domesc Möller auf Berlin-live.de. Dieser Einwand ist umso dringlicher, als die E-Bus-Förderung ausläuft, das Deutschlandticket nicht auskömmlich finanziert ist und die BVG ihr Busangebot aufgrund des Fahrermangels einschränkt.

Apropos Fahrermangel: Nach den Informationen des Tagesspiegels fehlen der BVG 350 Busfahrer:innen – und das, obwohl das Verkehrsunternehmen rund ein Drittel mehr Fahrer:innen ausgebildet hat als im Vorjahr. Es ist also nicht allein die angespannte Arbeitsmarktlage, sondern die hohe Fluktuation bei bereits ausgebildeten Fahrer:innen. Könnte das etwas mit den unattraktiven Arbeitsbedingungen zu tun haben?

Nebelwerfer Wissing
In der Diskussion um EU-Pläne für schärfere Auflagen für ältere Autofahrer hatte sich Bundesverkehrsminister Volker Wissing klar positioniert: „Ich will keine verpflichtenden Tauglichkeitsprüfungen für Autofahrer über 70.“

Dazu kann man stehen, wie man will. Was allerdings überrascht, ist das Argument, mit dem er seine Haltung untermauert: „Viele ältere Menschen leben auf dem Land. Für sie ist ein selbst bestimmtes Leben ohne Auto schwer möglich.“

Wie wäre es, weniger Milliarden in Autobahnprojekte zu stecken und stattdessen für eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV zu sorgen – damit Menschen auch auf dem Land ohne Auto selbstbestimmt leben können?

Zwar fördert das BMDV Modellprojekte zur Stärkung des ÖPNV, aber es sind halt (noch) Modellprojekte. Und sie setzen auf On-Demand-Verkehre – bislang eine reine Geldverbrennungsmaschine. Ob sie sich jemals rechnen, sei dahingestellt. Viel wichtiger ist doch die Frage, ob Daseinsvorsorge unter der Vorgabe, sich „rechnen“ zu sollen, überhaupt erfolgreich betrieben werden kann – und muss.

Anja Martin